Freitag, 8. April 2016

Wasser als Passion und Musik als Leidenschaft

Wasser, viel Wasser hat es in Scuol. Und wer ist eigentlich dafür zuständig? Der Brunnenmeister: Gisep Derungs trägt die Verantwortung, seit 22 Jahren. Ein Porträt über den Mann hinter dem Wasser. Das Lebensmittel Nr. 1 ist nicht Brot oder Schokolade, auf Platz eins steht das Trinkwasser. Und doch hat es für die Meisten von uns keinen wirklich besonders hohen Stellenwert. Es scheint fast unglaublich. Auf einer Strecke von nur sechs Kilometern, entspringen auf beiden Seiten des Inns mehr als 20 Mineralquellen. Mineralwasser, welches einfach so, aus einigen Dorfbrunnen gratis und so viel man möchte direkt ab Hahn getrunken werden kann.

Ein grosser Brand im Quartier Clozza 1877, bei dem wegen fehlendem Löschwasser 23 Häuser abgebrannt sind, war der Initiant über eine Wasserversorgung für Scuol nachzudenken. Im Jahre 1894 war es dann soweit und für Scuol entstand die Versorgung mit Brunnen, Hydranten und Hausanschlüssen. Dank der touristischen Entwicklung folgte im Jahr 1905 die Realisierung einer Kanalisation für das gesamte Dorf.

Veränderte Strukturen
Für die Fraktionen Scuol, Ftan, Sent, Tarasp, Ardez und Guarda, welche die Gemeinde Scuol bilden, trägt der Brunnenmeister Gisep Derungs für das Wasser die Verantwortung. Am 1. September 1994 trat der gebürtige Scuoler die Stelle als Brunnenmeister für die Gemeinde Scuol an und hat in den nunmehr 22 Jahren schon so manche Veränderung miterleben dürfen. Das Wasser ist sein Element, die Quellfassungen und Reservoirs sein zu Hause. Auf Scuoler Boden kennt er seine Brunnen, Wasserleitungen und Quellen ganz genau, hat all sein Wissen akkurat festgehalten und findet mit nur einem Handgriff, genau den Aktenordner im Schrank, der benötigt wird. Durch die Fusion hat sich seine Verantwortung nicht nur geographisch vervielfältigt, sondern zeigt auch den technologischen Unterschied der einstigen eigenständigen Gemeinden auf.

Heute muss er sein Wissen auch in Bezug auf die Wasserversorgung der anderen Fraktionen erweitern. Ist die Wasserversorgung in Tarasp heute auf dem modernsten Stand der Technik, mit einem Prozessleitsystem, ausgestattet, befinden sich jene in Ardez, Ftan und Guarda momentan in einem älteren Zustand. Gisep Derungs kann das System in Tarasp bequem aus seinem Büro per Mausklick oder direkt mit seinem Handy regulieren und kontrollieren, die Protokollierung ist automatisiert. Um hingegen an die Daten der anderen Fraktionen zu gelangen, muss das Team um den Brunnenmeister vor Ort zum Reservoir oder zur bisherigen Zentrale ausrücken, jede Fraktion hat so ihre Eigenheit. Die Daten müssen anschliessend manuell in den PC übertragen werden, um Aufschlüsse zu erhalten. Ein paar Zahlen zur Veranschaulichung. Mit der Fusion erhöhte sich die Anzahl von Hauswasserzählern von 872 Hauswasserzähler auf 2‘242, die Menge an Hydranten ist auf 340, Dorfbrunnen auf 91 und Reservoire auf ganze 28 angestiegen.

Die Unwetter im Sommer 2015
Im Sommer 2015, nur sieben Monate nach der Fusion, wurde dem Brunnenmeister eine hohe Hürde gestellt. Parallel zur Moräne im Lischana Gebiet, bei welcher die Versorgungsleitung nach Pradella rund um die Lischana Quelle beschädigt wurde, kam es auch im Tarasper Plavna Gebiet zu einer Schlammlawine, die die Wasserversorgung für die Fraktion Tarasp lahm legte. Am darauffolgenden Tag führte der Clozza-Bach Hochwasser und löste damit eine weitere Rüfe aus, bei der auch noch die Mineralwasserquelle Clozza demoliert wurde. Zwei Tage später waren dann noch die Quellfassungen der Lischana-Quelle durch die Unwetter abgetrennt. Tage, in welchen schnelle Entscheidungen getroffen werden mussten und sich das Wissen der Tarasper Quelle mehrheitlich durch «learning by doing» angeeignet werden musste. 365 Tage im Jahr rund um die Uhr ist das Team von Gisep Derungs für uns jederzeit bereit, um die Wasserversorgung sicher zu stellen.

Kraft und Energie tanken
Seine Leidenschaft ist die Musik, da schlägt sein Herz höher. Beim Musikmachen kann er Kraft und Energie tanken, um den Herausforderungen des Alltags gelassener gegenüber zu treten. Eigentlich wollte der 44-jährige Musik studieren, doch für ein Studium hatte die siebenköpfige Familie damals zu wenig finanzielle Mittel. Als einziger Sohn neben vier Schwestern, haben ihn seine Eltern dabei unterstützt, dass er ein Instrument erlernen konnte. Heute ist er im Musikverein Sent als Dirigent aktiv, die zwei Proben am Abend in der Woche sorgen in seiner Freizeit für kurze Weile. Vier Stunden sind jeden Sonntag für die Musikprobe der Blaskapelle «Blaženka» in Zernez reserviert, bei der er die musikalische Leitung innehat.

Böhmische Blasmusik, das sei seine Welt, strahlt er. Wichtig sei ihm auch hier ein hohes Niveau, deshalb finden die Proben jeweils von 18:00 bis 22:00 Uhr statt. Um sich musikalisch im Bereich böhmischer Blasmusik weiter zu entwickeln, nimmt er regelmässig an Kursen für diese Sparte an der renommierten Blasmusikakademie in Staufen bei Freiburg im Breisgau, teil. Der Name der Blaskapelle «Blaženka» stammt nicht etwa von Gisep Derungs‘ Freundin, er lebt alleine, sondern von einer böhmischen Servicemitarbeiterin namens «Blaženka», welche die Kameraden der Blaskapelle als Namensgeberin ausgewählt haben und spielen sogar eine Polka, die diesen Namen trägt.

In der Natur und am Herd

Trotzdem braucht auch er neben der Musik eine Auszeit, die er am liebsten in der Natur verbringt. Der Piz Lischana ist nicht nur der Hausberg von Scuol, sondern zählt auch zu Gisep Derungs‘ Favorit. Wenn es seine Zeit zulässt, steht er auch schon einmal hinter dem Herd. Er isst eigentlich fast alles gerne, aber bei Lachs schlägt sein Herz höher, da kann er einfach nicht vorbei gehen. Zum Abschluss noch etwas Interessantes: Der im Januar geborene Gisep Derungs ist nicht nur von Berufswegen «Wassermann», sondern trägt dieses Tierkreiszeichen sogar als Sternzeichen.

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