Samstag, 9. April 2016

Ein etwas anderer Sonntag

Sonntagmorgen kurz vor 11.00 Uhr. Heute findet ein Konzert der Società da musica Tschlin statt. Nachdem ich nun schon die Konzerte der Musikvereine Scuol und Sent angehört habe, bin ich gespannt, welche Lieder, welche Richtung die Tschliner wohl spielen? Wir treffen uns um 10.00 Uhr, nehmen noch ein kleines Frühstück ein und gegen 10.20 Uhr fahren wir los. Bin gespannt, frage mich, was wohl für Publikum anwesend sein wird. In Scuol und Sent waren die Konzerte jeweils abends, um 20.30 Uhr. Ein Konzert zur Mittagszeit hat womöglich schon ein anderes Zielpublikum, als eines am Abend. In Tschlin angekommen, müssen wir erst vom Parkplatz, welcher ausserhalb des Dorfes liegt, circa 10 Minuten laufen, bis wir die Mehrzweckhalle erreichen.

In der Mehrzweckhalle angekommen. Der Saal ist schon fast voll. «Ohh, denke ich mir da nur, nun an allen vorbeilaufen, um einen Platz zu ergattern». Ich fühle mich gerade nicht sehr wohl, denn genau das mag ich nicht. In einen Raum eintreten, in dem schon so viele Menschen sitzen. Da kommt das Gefühl auf, als ob alle gaffen. Am liebsten würde ich im Erdboden versinken, oder den Zaubermantel von Harry Potter überziehen. «Okay, sag ich mir selbst, einmal tief Luft holen, Rücken gerade, geradeaus schauen; Augen zu und durch, lautet die Devise». Endlich an einem Sitzplatz angekommen, fühle ich mich noch immer nicht so richtig wohl, also beginne ich mich abzulenken. Ich zähle die Anzahl Sitzreihen und wieviel Personen in einer Reihe platz haben. Es hat Platz für 192 Personen. Zwar sind nicht alle Stühle belegt, doch über den Daumen gepeilt, würde ich sagen, dass schon 170 Leute hier sind.

Hinter dem grossen roten Vorhang auf der Bühne bewegt sich etwas, plötzlich wird es im Saal ruhig. Das Publikum wartet gespannt. Jetzt geht es los mit einer traditionellen österreichischen Polka. In mir kommt die Erinnerung von einem Bierzelt-Feeling auf. Dort spielen auch immer Blaskapellen. Schnell bemerke ich, dass dieses erste Stück zur Einstimmung gespielt wurde. Schon beim nächsten Lied bin ich überrascht. Die Musik Tschlin, typische Engadiner, spielen einen Celtic Song. Die Noten sind zarter, weicher, hohe und tiefe Töne, es klingt wunderbar. Langsam fühle ich mich in dem Raum wohl. Bin fasziniert, denn die meisten Stücke sind musikalisch sehr anspruchsvoll. Auch die Länge einzelner Lieder begeistern mich. Hier wird den Musikern etwas abverlangt, denke ich mir, denn die Konzentration bei langen Liedern ist enorm. Es ist toll zu sehen, wie die Musiker in ihrem Element sind, alle machen mit. Nach einer 20-minütigen Pause, geht es hochkarätig weiter. Ein moderner Song «I will wait», wundervoll im Klang. Da höre ich gerne zu. Am Meisten begeistern mich die Stücke «Joy, Peace and Happiness», und das Medley der Beatles. Auch finde ich sehr interessant, dass in dieser Musikvereinigung sehr viele Junge Menschen vertreten sind, das war in Scuol und Sent anders.

Nach dem Konzert, weichen die Stühle Tischen und Bänken. Im Eiltempo packen die Musikanten alle mit an. Es ist schön zu sehen, wie ein Team funktioniert, jeder scheint genau seine Aufgabe zu haben. Viele Besucher bleiben noch und geniessen neben einem Mittagessen die Gesellschaft. Die Musiker bedienen sogar die Tische. Jetzt erinnert mich die Atmosphäre an ein Dorffest, ein get-together. Jung und Alt feiern gemeinsam ein gelungenes Konzert. Oder aus einem anderen Blickwinkel betrachtet: «Ein Sehen und Gesehen werden, sich von seiner besten Seite zeigen». Das finde ich interessant, das beobachte ich gerne, weiss gar nicht wo ich hinsehen soll. Einzelne Gäste sind im sonntäglichen Outfit unterwegs, andere hingegen sehr legere, in Jeans und Crocs. 

Ein etwas anderer Sonntag eben, so etwas habe ich seit ich im Engadin lebe, noch nie gemacht. Das war genau der Grund, weshalb ich heute nach Tschlin bin. Es hat sich gelohnt, war interessant. Für mich steht fest: Das war nicht der letzte Besuch bei einem Konzert der Società da musica Tschlin.

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